Die heilige Mistel der Kelten und Germanen
Vermutlich liegt in der merkwürdigen Erscheinung der Mistel einer der Gründe für die mystischen Geschichten und Bräuche vergraben,
die sich um die seltsame Pflanze ranken. Denn für die Germanen, Griechen und Kelten war die Mistel eine Art göttliches Zeichen,
da sie quasi zwischen dem göttlichen Himmel und der irdischen Erde wuchs.
Die Mistel als Schutzpflanze im Mittelalter
Auch im Mittelalter fand die Mistel großen Anklang. Dabei wurde sie vor allem als Schutzpflanze vor bösen Geistern, Dämonen und Hexen eingesetzt.
So wurde sie als Amulett um den Hals getragen, am Dachstuhl befestigt oder an Stalleingänge und Haustüren gehängt – wie wir es auch jetzt noch an Weihnachten und Neujahr machen.
Doch auch wenn uns der Glaube an böse Hexen verlassen hat, spielt der Mistelzweig als Glücksbringer der Liebe noch immer eine Rolle – eine Bedeutung,
die ihren Ursprung vielleicht in der nordischen Mythologie hat.
Die Mistel als Zeichen der Liebe
In der nordischen Mythologie nimmt die Mistel eine tragische Schlüsselposition ein, die den Anfang vom Untergang des Götterreiches Asgard markiert.
Doch beginnen wir von vorne:
Nach einem Traum, in dem der Sonnengott Balder, der Sohn der Liebesgöttin Frigga, stirbt, ist seine Mutter beunruhigt. Sie macht sich daher auf den Weg und nimmt allen – jedem Element, jedem Tier und jeder Pflanze – das Versprechen ab, ihren Sohn unversehrt zu lassen. Nur den Mistelzweig hoch oben in den Baumkronen besucht die Liebesgöttin nicht.
Als nun die anderen Götter in einem Spiel mit verschiedensten Gegenständen auf Baldur schießen und sich darüber amüsieren, dass er immerzu unverletzt bleibt, nutzt der böse Gott Loki die Gelegenheit: Er gibt Baldurs blinden Bruder Hödur einen Pfeil aus Mistelholz, der damit, ohne es zu wollen, seinen Bruder tötet. Die Tränen, die Frigga über den Tod ihres Sohnes vergießt, verwandeln sich in die weißen Beeren des Mistelzweigs.
Erst nach dem Untergang der alten Welt, aus der eine Neue entstehen wird, soll Balder aus dem Totenreich zurückkehren dürfen. Es wird auch erzählt, dass es nur Frigga möglich gewesen sei, ihren Sohn zurückzuholen und sie darüber so glücklich war, dass sie jeden küsste, der unter dem Baum mit dem Mistelzweig stand – aus einem Gefühl der Liebe heraus und als Zeichen, dass ihnen kein Schaden zugefügt wird.
Warum küsst man sich unter dem Mistelzweig?
Woher der Brauch tatsächlich kommt, lässt sich abschließend nicht sicher sagen. Vielleicht haben die verschiedenen Sagen und Legenden eine Rolle bei der Entwicklung gespielt.
Besonders an Bedeutung gewinnt der Weihnachtsbrauch aber auch während der viktorianischen Zeit, als es die strenge Etikette den jungen Paaren schwer gemacht hat, sich ein wenig näher zu kommen. Der Mistelzweig erschien vielen daher als eine willkommene Möglichkeit, sich besser kennenzulernen, ohne dafür von der Gesellschaft verurteilt zu werden. Dabei soll es sinnvoll gewesen sein, einen Mistelzweig mit möglichst vielen Beeren aufzuhängen. Denn laut Brauch musste nach jedem Kuss eine Beere gepflückt werden – war keine mehr übrig, musste auch das Küssen aufhören.
Weitere Traditionen rund um die Mistel
Neben dem Kuss unter dem Mistelzweig gibt es viele weitere Traditionen rund um die Mistel und die Liebe. So soll ein Mistelzweig, der in der Silvesternacht unter dem Kopfkissen liegt, dem schlafenden Mädchen Träume von ihrem zukünftigen Ehemann bescheren. In Frankreich küsst man Verwandte und liebe Freund:innen, wenn man sich unter einem Mistelzweig begegnet. Auch bei alten Hochzeitsbräuchen spielt die Mistel als Fruchtbarkeitssymbol eine wichtige Rolle.